Bewerbung fürs Comicseminar Erlangen 2024
Beschreibung der vorhandenen Fähigkeiten inklusive Arbeitsproben
1. Wer ich bin und was mich geprägt hat
Hi! Ich bin Viktoria Cvetković. Ich wurde 1979 an der Grenze zwischen Sauerland und Ruhrgebiet geboren. Mit Comics in Kontakt gekommen bin ich mit 5 oder 6 Jahren durch eine Nachbarin, die mir die ausgelesenen „Lustigen Taschenbücher“ ihres Sohnes geschenkt hat.
Meine ersten Zeichnungen waren tief eingedrückte Kugelschreiberkringel in einem Pappbilderbuch über Enten und andere Wasservögel. Danach habe ich mir den Stift nicht mehr aus der Hand nehmen lassen und kann inzwischen auch mehr als nur krakelige Kreise malen.
Gäbe es mich als Bausatz, wären immer ein Schal, ein Skizzenbuch, ein Füller und ein Tuschepinsel dabei.
Um mir den Wunsch nach einem kreativen Beruf zu erfüllen und dem Sicherheitsbedürfnis meiner Eltern entgegenzukommen, habe ich statt Kunst oder Design „etwas Richtiges“ studiert und meinen Abschluss als Architektin gemacht. Gearbeitet habe ich in dem Beruf zwar nie, profitiere aber jeden Tag von den Projektmanagement-Fähigkeiten, die ich mir während des Studiums angeeignet habe. (Ich habe erst im dritten Semester verstanden, dass Gewerke und Abläufe zu koordinieren und den Überblick zu behalten der eigentliche Job von Architekt:innen ist; sich kreativ auszutoben ist meist den Bürochef:innen vorbehalten.)
Am liebsten nutze ich Skizzenbücher, die sich mit Aquarell und Tusche vertragen.
2. Was ich heute so mache
Mittlerweile bin ich Forschungsreferentin und Dozentin für visuelle Kommunikation und zeichne nebenberuflich seit rund 10 Jahren vor allem grafische Reportagen und dokumentarische Comics. Meist arbeite ich direkt mit Tusche und Aquarell, ohne Vorzeichnungen, und stelle die Zeichnungen auch direkt vor Ort fertig, Kolorierung inklusive. Für manche Projekte arrangiere ich die Bilder später passend zur Erzählstruktur am Rechner um.
Eine Woche lang den Freiwilligeneinsatz im Bergwaldprojekt in Elm zeichnerisch zu dokumentieren – bei jedem Wetter – war eines meiner bisherigen beruflichen Highlights. Übernachtet wurde im Zelt. Besondere Herausforderung war, die Skizzenbücher trocken aufzubewahren.
Gelegentlich zeichne ich Tagebuch-Comics zu meinem eigenen Vergnügen. Manchmal, um eine absurde Situation festzuhalten, manchmal als Challenge, um an einem Tag mindestens zwölf Panels zu produzieren und die innere Kritikerin nicht so lange darüber nachdenken zu lassen, ob das jetzt auch wirklich gut genug ist. Dabei probiere ich oft herum mit Gestaltung, Texten und Erzählformen.
An dem Tag war ich dran mit kochen.
Das Blogformat »12 von 12« ist ein schönes Übungsfeld für Alltagsbeobachtung und die schnelle Entwicklung von Bildideen.
Inspiriert vom Workshop »Wort + Bild« mit Tamara Bach und Barbara Yelin experimentiere ich inzwischen auch regelmäßig damit, für Tagebuch-Comics auch Texte und Bilder miteinander zu verstricken, die unabhängig voneinander entstanden sind.
Verschränkte Eindrücke von einem Novemberspaziergang mit einem Textfragment von Wolfgang Borchert.
Skizzen aus der Provinz und Textminiatur aus der Großstadt.
Selbstverfasste Miniatur zum Reizwort »Nacht«, kombiniert mit Aquarellskizzen aus einer Live-Drawing-Session.
Ich tummle mich auch gerne zeichnend auf Veranstaltungen, immer auf der Suche nach Inspiration. Oft stelle ich mir eine vorher eine bestimmte Aufgabe, zum Beispiel möglichst viele Gesichter als überzeichnete Charaktere einzusammeln. Vieles davon betrachte ich als Fingerübung und Vorarbeit für die längere autofiktionale Erzählung, an der ich gerade arbeite.
Auf Veranstaltungen wie der Mineralienbörse in Erkelenz lassen sich Menschen in Ruhe studieren. Als Zeichnende fällt man nicht auf, denn alle sind sehr auf die ausgestellten Dinge fokussiert und viele meiden im Gedränge den direkten Augenkontakt zu anderen Menschen.
3. Warum ich beim Comicseminar dabeisein möchte
Seit rund einem Jahr schreibe und zeichne ich an einer längeren grafischen Erzählung über Herkunft und Identität. Das ist auch das Projekt, das ich im Comicseminar weiterentwickeln möchte.
Das Projekt gestartet habe ich im letzten Jahr, als ich ein dreimonatiges Aufenthalts-Stipendium für grafische Literatur in Eisenbach bekommen habe.
Bei der Gelegenheit habe ich auch ungestört meinem Biorhythmus als Nachteule ausleben können.
Da ich, was Comics/grafische Literatur angeht, Autodidaktin bin und in meinem Umfeld niemanden habe, mit der/dem ich mein Projekt gelegentlich auf professioneller Ebene durchsprechen kann, bewerbe ich mich um Mentorings (z. B. bei der IO /Tobi Dahmen) und nehme an Workshops und Meisterklassen teil (bisher bei Barbara Yelin, Tamara Bach, Heike Drewelow, Lotte Wagner, Jens Maria Weber, Nele Peer Jongeling).
Am Comicseminar in Erlangen teilzunehmen, ist mein großer Wunsch für dieses Jahr. Ich möchte gerne mein Graphic-Novel-Projekt weiter voranbringen und fände es großartig, mit Unterstützung der Dozent:innen und dem Feedback der anderen Teilnehmenden einen großen Schritt weiterzukommen. Genauso neugierig bin ich auf die Comic-Geschichten und Projekte der anderen in der Gruppe und freue mich auf einen produktiven, inspirierenden und fröhlichen Austausch.
Erste Umschreibung der Idee fürs Seminarprojekt
Mein Projekt ist eine autofiktionale Comic-Erzählung, die sich mit dem Zufall von Herkunft, mit Identität und Verwurzelung auseinandersetzt. Verknüpft ist dies mit der Geschichte meiner Eltern, die in den 1970ern als junge Erwachsene nach Deutschland kamen und hier ein Paar wurden. Der biografisch inspirierte Teil ist eingebettet in den gesellschaftspolitischen Kontext der BRD der 1970er bis 1990er Jahre – ein Zeitabschnitt der Unsicherheit zwischen Gehen und Bleiben, gefühlter Fremdheit und bewusstem heimisch werden.
Mich beschäftigen Fragen. Wie viele Generationen braucht es wohl, um das Label „deutsch mit Migrationshintergrund“ einzutauschen für „deutsch“ ohne diesen einschränkenden Zusatz? Vor allem, wenn man hier geboren und nirgendwohin migriert ist, außer vielleicht von Dortmund nach Köln. Welche Funktion erfüllt diese Unterscheidung gesellschaftlich und was bewirkt sie für unser Zusammenleben? Es geht mir darum, über individuelle Geschichten eine kollektive Erfahrung sichtbar zu machen.
Ich stütze mich dabei, neben umfangreichen Recherchen, auch auf Erinnerungen, eigene und erzählte, und bemerke, dass ich mir manches zusammenfabuliert habe, um Lücken zu schließen. Wie will ich literarisch damit umgehen? Mache ich transparent, wenn ich mir nicht trauen kann? Und wie kann ich von nahen Menschen (und mir selbst) erzählen, ohne bloßzustellen und Privatheit zu verletzen? Wie viel Verfremdung verträgt die Erzählung, um trotzdem noch meine zu sein und nicht eine beliebige?
Es werden Lücken bleiben, auch in der Geschichte. Lücken sichtbar und greifbar machen zu können, empfinde ich als eine große Stärke des Mediums Comic. Dieser Aufgabe möchte ich mich stellen. Ich versuche derzeit, mich in textlichen und zeichnerischen Fragmenten forschend anzunähern.
Vom Comic-Seminar erhoffe ich mir Impulse, Motivation, Feedback und kollegialen Austausch. Momentan habe ich viele textliche und bildliche Mosaiksteine und ringe darum, diese so zu Szenen und Episoden zu verdichten, dass daraus eine lesbare, verstehbare grafisch-textliche Erzählung entsteht.
Work in progress. Oben: Erste Seitenentwürfe basierend auf schnellen analogen Skizzen zu einem vorher entstandenen Text. Unten: Weiterentwicklung des Storyboards, anfangs noch ohne Rahmung und Farbe, später mit erstem Farbkonzept.
Danke fürs Lesen!
Ich freue mich auf eure Rückmeldung und bin gespannt, ob ich beim Comicseminar dabeisein darf!
Hi, ich bin Viktoria.
Ich bin Zeichnerin, Autorin und Dozentin. Ich erzähle mit Bildern.
Meine bevorzugte Zeichentechnik ist die Skizze, meine liebsten Medien sind Tusche und Aquarell. Ich forsche mit dem Stift in der Hand und liebe es, Menschen, Gebäude, Orte, Handwerkliches und Alltägliches zeichnend zu dokumentieren.
Die Resultate sind graphische Reportagen, häufig in Form von handgebundenen Künstlerbüchern.
Hier im Blog schreibe ich über Dinge, die mich aktuell bewegen und zeige, was so alles in meinen Skizzenbüchern landet. Wenn du noch näher dran sein willst, auch für Einblicke zum aktuellen Graphic-Novel-Projekt »Luftwurzeln«, dann hüpf gerne auf meinen Newsletter.