Veröffentlicht: 20.11.2024 | Aktualisiert: 08.12.2024
Pirosmanis Giraffe und die Heisenbergsche Unschärferelation
Ein weiteres Buch, das mich im Schreibprozess von »Luftwurzeln« begleitet hat, ist »Im Menschen muss alles herrlich sein« von Sasha Marianna Salzmann. Es ist eines der wenigen Bücher bisher, das ich in seiner Gesamtheit schwierig finde, in Einzelteilen aber mochte.
Ich habe während des Lesens schlichtweg den Überblick verloren. Es sind wenige Charaktere und trotzdem weiß ich nicht mehr, wer Lena, Nina und Edi in dieser Reihe von Frauen sind, was sie füreinander sind, wo sie zeitlich und in der Geschichte verortet sind. Die Erzählung hat mich als Leserin schon mittendrin verloren und auch das Ende hat es für mich nicht mehr aufgelöst.
Passiert mir das sonst, klappe ich das Buch schon frühzeitig zu und lege es weg. Von mir nicht zu Ende gelesen, lasse ich es frei; es landet es ein paar Wochen später im öffentlichen Bücherschrank auf unserem Marktplatz. Nur weil ich nichts damit anfangen kann, heißt das ja nicht, dass es nicht das Leben eines anderen Menschen bereichern kann.
Dieses Buch habe ich aber passagenweise noch einmal gelesen. Sieben Stellen hatte ich mir markiert, die mich berührt oder einen gefühlten Bezug haben zur Geschichte, die ich in meinem Comic-Roman »Luftwurzeln« erzählen möchte. Ich habe mir Notizen zu diesen sieben Passagen gemacht, eigene Gedanken dazu formuliert, grob verstanden, welche Analogie sich aus der Heisenbergschen Unschärferelation ergeben kann – und eine Skizze von der im Buch erwähnten Giraffe Pirosmanis gemacht. So wie ich sie mir vorstelle und bevor ich gleich recherchiere, wie das Tier auf Pirosmanis Gemälde wirklich aussieht.
Und was mache ich jetzt mit »Im Menschen muss alles herrlich sein«? Irgendwie mag ich es noch nicht gehen lassen. Vielleicht, weil ich Sasha mag. Wir sind uns bei den Texttagen in Nürnberg begegnet und sie hat mich tief beeindruckt. Mit ihrer Klugheit, mit ihrer präzisen Analyse dessen, was in Deutschland gerade passiert. Das Buch auf meinem Schreibtisch ist meine physische Verbindung zu dieser Erfahrung.
Roman von Sasha Marianna Salzmann “Im Menschen muss alles herrlich sein” und eine Skizze von Pirosmanis Giraffe, wie ich sie mir vorstellt habe, bevor ich nach dem Gemälde recherchiert habe. Bildrechte: Viktoria Cvetković
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Hi, ich bin Viktoria.
Ich bin Zeichnerin, Autorin und Dozentin. Ich erzähle mit Bildern.
Meine bevorzugte Zeichentechnik ist die Skizze, meine liebsten Medien sind Tusche und Aquarell. Ich forsche mit dem Stift in der Hand und liebe es, Menschen, Gebäude, Orte, Handwerkliches und Alltägliches zeichnend zu dokumentieren.
Die Resultate sind graphische Reportagen, häufig in Form von handgebundenen Künstlerbüchern.
Hier im Blog schreibe ich über Dinge, die mich aktuell bewegen und zeige, was so alles in meinen Skizzenbüchern landet. Wenn du noch näher dran sein willst, auch für Einblicke zum aktuellen Graphic-Novel-Projekt »Luftwurzeln«, dann hüpf gerne auf meinen Newsletter.
Hallo Viktoria! 😊
Dein Artikel über den Schreibprozess von Sasha Marianna Salzmann und die „Luftwurzeln“ hat mich total fasziniert! ✍️✨ Ich finde es unglaublich spannend, wie du die Verbindung zwischen der Autorin, ihren Themen und ihrem kreativen Prozess beschreibst. Besonders der Aspekt, dass Schreiben eine Art Verankerung und zugleich ein Loslassen sein kann, hat mich sehr angesprochen. Das Bild der „Luftwurzeln“ ist so treffend und poetisch – es regt richtig zum Nachdenken an. ❤️
Ich frage mich, ob du persönlich auch schon mal ähnliche Erfahrungen beim Schreiben gemacht hast? Dass man sich in der Suche nach einem Thema oder Ausdruck selbst ein bisschen besser kennenlernt? 😊
Vielen Dank für diesen tiefgründigen und inspirierenden Beitrag – ich habe jetzt richtig Lust bekommen, mich noch mehr mit Sasha Marianna Salzmann und ihren Werken zu beschäftigen!
LG Rosi 🌸
Hallo Rosi,
danke für deinen Kommentar und viel Freude mit Sashas Büchern!
Meine Erfahrung im Schreibprozesses ist, dass sich dadurch fast immer Gedanken klären. Und das betrifft nicht nur das Schreiben der eigentlichen Erzählung (wie bei mir jetzt die Arbeit an der Graphic Novel “Luftwurzeln”), sondern auch die Metaebene. Einen Pitch oder eine komprimierte Inhaltsangabe zu schreiben, klärt auch noch einmal Aspekte in der Erzählung selbst. Und das Reflektieren (und Schreiben) ÜBER der Schreibprozess hilft mir z. B. auch eine Schreibroutine zu entwickeln, der ich langfristig folgen kann, auch wenn der Alltag mal dazwischengrätscht.
Kennst du so etwas auch?
Viele Grüße
Viktoria