Veröffentlicht: 04.03.2024 | Aktualisiert: 04.03.2024
Bloß nicht angesprochen werden
Gedränge vor den Ständen, prüfende Augen suchen konzentriert die Tische nach lohnenden Mineralien und Fossilien ab. Das Gros der Besucherinnen und Besucher der Mineralienbörse in Erkelenz vermeidet Augenkontakt zu anderen Menschen, vor allem zu denen hinter den Ständen. Sprich mich bloß nicht an, signalisiert ihre Körpersprache. Lass mich in Ruhe gucken; wenn ich etwas kaufen will, melde ich mich schon.
Andere haben sehr spezielle Fragen an die Ausstellenden, wollen mitgebrachte Steine bestimmt haben oder über Fundmöglichkeiten auf Halden, in Brüchen und Stollen fachsimpeln. Diese Menschen sind so ins Gespräch vertieft, die würden nicht einmal mitbekommen, wenn ihnen eine Giraffe die Salbeibonbons aus der Jackentasche fressen würde.
Und so achtet niemand auf die Zeichnerin…
Optimale Bedingungen für mich, um in Ruhe Menschen zu studieren, vor allem Gesichter. Halb von einer Stellage verdeckt brauche ich nur zu warten, bis mir die Besucherinnen und Besucher Profil‑, 3/4‑Profil- und Frontalansichten von sich anbieten, Scheitel und Nasenrücken, Augenbrauen, Bärte und Brillen, manchmal auch einen Satz oder ein paar Wörter.
Ich nehme das Angebot an.
Auf Veranstaltungen wie der Mineralienbörse in Erkelenz lassen sich Menschen in Ruhe skizzieren. Als Zeichnende fällt man nicht auf, alle sind sehr auf die ausgestellten Dinge fokussiert und viele meiden im Gedränge den direkten Augenkontakt zu anderen Menschen. © Viktoria Cvetković
Für die Zeichnung verwendetes Material
Von dieser Doppelseite gibt es keine Phasenfotos, ich habe mich aufs Zeichnen konzentriert und zwischendurch nichts dokumentiert. #monotasking
Für die Outlines verwende ich einen Füller von TWSBI, gefüllt mit wasserfester Tinte bzw. füllfedergeeigneter Tusche (»Sketch Ink Lotte« von Rohrer & Klinger). Koloriert ist alles mit Aquarellfarben (Cotman- und Professional-Serie von Winsor & Newton). Zum Schluss setze ich noch ein paar farbige und schwarze Akzente mit Buntstiften (Luminance von Caran d’Ache) und Tusche (Pentel Pocket Brush, nachgefüllt mit schwarzer Tusche von Rotring).
Ach ja, und das Skizzenbuch ist das Aquarellbuch von boesner.
Mein Zeichenmaterial, dass ich auf der Mineralienbörse in Erkelenz benutzt habe. © Viktoria Cvetković
Alles direkt vor Ort skizziert und eingefärbt, zu Hause eingescannt.
Hast du Fragen zum Zeichenprozess oder zum Material? Dann stell sie gerne in der Kommentarbox unten.
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Hi, ich bin Viktoria.
Ich bin Zeichnerin, Autorin und Dozentin. Ich erzähle mit Bildern.
Meine bevorzugte Zeichentechnik ist die Skizze, meine liebsten Medien sind Tusche und Aquarell. Ich forsche mit dem Stift in der Hand und liebe es, Menschen, Gebäude, Orte, Handwerkliches und Alltägliches zeichnend zu dokumentieren.
Die Resultate sind graphische Reportagen, häufig in Form von handgebundenen Künstlerbüchern.
Hier im Blog schreibe ich über Dinge, die mich aktuell bewegen und zeige, was so alles in meinen Skizzenbüchern landet. Wenn du noch näher dran sein willst, auch für Einblicke zum aktuellen Graphic-Novel-Projekt »Luftwurzeln«, dann hüpf gerne auf meinen Newsletter.
Liebe Viktoria,
mit viel Freude zu betrachtende Portraits sind das. Ob sich die Besucher hier wiederfinden?
Ich habe immer Hemmungen, andere Menschen einfach so zu malen. Selbst im Aktmalkurs habe ich mich immer hinter der Leinwand versteckt und traute mich nicht, die Modelle einfach und direkt zu betrachten.
Herzliche Grüße Silke
Liebe Silke,
danke sehr! Ich glaube nicht, dass sich alle Portraitierten erkennen (wollen?) würden. Einige sind karikaturhaft überzeichnet und es gehört schon auch ertragender Humor dazu, sich selbst so sehen zu wollen. (Wobei ich niemanden boshaft karikiere; Leute, die auf mich unsympathisch wirken, zeichne ich gar nicht erst, denn die mag ich auch nicht lange betrachten.)
Die Hemmung, andere zu zeichnen, kenne ich auch. Mir hat langsame Gewöhnung geholfen, ich habe so oft wie möglich draußen in der Stadt gezeichnet, zunächst mal nur Gebäude. Neugierige Passanten stellen sich dann auch schon mal hinter einen und das irritiert am Anfang auch. Als ob ein Fremder in deinem Tagebuch liest, während du es schreibst. Meistens sind daraus aber sehr nette Gespräche entstanden, sodass es mich mittlerweile nicht mehr stört, wenn mir jemand beim Zeichnen zuschaut. Die Hemmschwelle, dann irgendwann auch Menschen in die Stadtskizzen zu zeichnen, ist bei mir nach und nach gefallen. Auch, weil sich dadurch kleine Geschichten evozieren lassen. Aktuell interessiert mich Architekturzeichnen weniger und Menschenzeichnen dafür umso mehr. Das war aber ein längerer Prozess, mich beim intensiven Anschauen anderer nicht unwohl zu fühlen…