Veröffentlicht: 13.04.2023 | Aktualisiert: 20.04.2023 | Findest du ein (*) im Text, dann sind damit Partner-Links gekennzeichnet. Die führen normalerweise zum sozialen Buchhandel.
Ab April verbringe ich drei Monate als Artist in Residence im Hochschwarzwald. Ich bin die diesjährige Eisenbacher Dorfschreiberin und nutze dieses wundervolle Stipendium dafür, weiter an meinem Graphic-Novel-Projekt zu arbeiten.
Obwohl ich gedanklich darauf vorbereitet war, dass sich mein Alltag hier neu sortieren muss, bin ich überrascht, wie lange diese Übergangsphase dauert.
Die Vorstellung, mich morgens nach dem Frühstück, wie zu Hause auch, einfach an den Schreibtisch zu setzen und loszuzeichnen oder loszuschreiben, trägt nicht. Seit ich hier bin, zieht es mich als erstes nach draußen, in die Bewegung. Meine Spazier- und Erkundungsrunden sind vergleichsweise lang, zwischen 7 und 11 Kilometer lege ich täglich zurück. Das Unterwegssein braucht Zeit, manchmal zweieinhalb Stunden, die mir dann zum Arbeiten fehlen. Aber fehlen sie mir wirklich?
Gehen bringt Gedanken in Gang
Dieser Tage probiere ich aus, was mir guttut, womit ich den Tag starten möchte und wie er sich dann weiter fortsetzen darf. Mir die Zeit über Wochen nicht zwischen Brotjob, Dozentinnentätigkeit und Kreativarbeit aufteilen zu müssen, ist eine neue Erfahrung.
Ich habe die äußere Freiheit, mich von morgens bis abends nur meiner Kreativarbeit widmen zu können, tue es (bisher) aber nicht.
Stattdessen laufe ich im Wald herum, sammle Eindrücke und staune.
Komme nach Hause, bin hungrig und koche mir etwas.
Esse in aller Ruhe und höre dabei Radio.
Stöbere durch die Bücherregale, die hier über drei Zimmer verteilt Interessantes bereithalten.
Treffe Absprachen zum Ablauf der Auftaktveranstaltung morgen, bei der ich mich als neue Dorfschreiberin vorstelle und vorgestellt werde.
Vermisse meine Liebsten.
Beantworte Mails und merke dabei, wie ich immer weniger Lust habe, mich mit der Akquise für Visualisierungstrainings auseinanderzusetzen. Dafür bin ich nicht hier. Ich will mich die verbleibenden zweieinhalb Monate meines Stipendiums nicht mehr damit beschäftigen, Schulungsangebote für Bildungsträger auszuarbeiten – auch wenn die Anfragen teils noch aus der Vorstipendienzeit stammen.
Die geschenkte Zeit hier ist wertvoll (wie alle Lebenszeit) und reserviert für das Schreibzeichnen an meinem Buch. Sie gegen das Einsickern des nicht hierher passenden, mitgebrachten Alltags zu verteidigen, erscheint mir von Tag zu Tag wichtiger.
Heute habe ich zum ersten Mal direkt nach dem Frühstück den Laptop aufgeklappt und begonnen zu schreiben. Ich hatte das Gefühl, da will etwas raus aus dem Kopf, will festgehalten werden. Anderthalb Stunden Flow. Jetzt wirft die Sonne zaghafte Strahlen durchs Fenster auf meinen Schreibtisch, trotzdem es draußen überwiegend grau ist. Es hat 1 °C, wegen des Winds sind es gefühlt ‑1 °C. Sagt die Wetter-App. Es regnet nicht.
Ja, es zieht mich wieder nach draußen.
Als Dorfschreiberin Eindrücke sammeln im Wald: Hier wächst das Eis in »Fäden« aus dem Boden. Ich staune.
© Viktoria Cvetković
Wird das erneut ein Tag, an dem ich „nicht genug geschafft“ haben werde?
(Und ist das wirklich so? Woran messe ich das?)
Wahrscheinlich gehört genau dieses Gefühl zum Ankommen in einem neuen Umfeld dazu. Hey, es ist mein erstes Aufenthaltsstipendium und ich bin offen für meine Umgebung. Eindrücke dürfen kommen und sich setzen. Mein Tagesablauf darf sich zurechtruckeln. Ist das nicht ein klares »Ja« zum Leben, das im Hier und Jetzt stattfindet – und nicht nur zwischen meinen Ohren?
Ich beobachte, wie es mir damit geht und versuche, nicht zu werten. Versuche, freundlich mit mir zu sein. Interessiert zu erkunden, wo das schlechte Gewissen herkommt. Welcher Anspruch verbindet sich damit? Wofür ist es gut? Und wie kann ich es auf positive, wohlmeinende, wohltuende Weise so kanalisieren, dass ich mich befreit meiner Kreativarbeit widmen kann?
Also dann:
Ich werde gleich ins Wohnzimmer gehen, die topographische Karte konsultieren und mich entscheiden, welche Strecke ich heute gehen möchte. Wenn ich wieder zurück bin, mache ich mir etwas zu essen. Werde die Sehnsucht nach meinem Liebsten mithilfe von Videotelefonie stillen. Und mich heute Abend zwischen Stiften, Papier, Aquarell, Tusche und Pinseln am Zeichentisch niederlassen.
Möchtest du noch näher dran sein?
Für mich ist das Stipendiatinnen-Dasein eine neue Erfahrung – und wenn du möchtest, kannst du Teil der Reise werden und mich zumindest virtuell begleiten.
Ich werde meinen Blog während meiner Zeit als Dorfschreiberin in Eisenbach auch als Online-Tagebuch für ausgewählte Beiträge nutzen. Noch näher dran an der Entstehung des Buches bist du als Newsletter-Abonnent:in, denn nicht alle Gedanken gehören öffentlich ins Netz. 😉
Hier kommst du zu meinem internen Verteiler und bleibst auf dem Laufenden:
Hi, ich bin Viktoria.
Ich bin Zeichnerin, Autorin und Dozentin. Ich erzähle mit Bildern.
Meine bevorzugte Zeichentechnik ist die Skizze, meine liebsten Medien sind Tusche und Aquarell. Ich forsche mit dem Stift in der Hand und liebe es, Menschen, Gebäude, Orte, Handwerkliches und Alltägliches zeichnend zu dokumentieren.
Die Resultate sind graphische Reportagen, häufig in Form von handgebundenen Künstlerbüchern.
Hier im Blog schreibe ich über Dinge, die mich aktuell bewegen und zeige, was so alles in meinen Skizzenbüchern landet. Wenn du noch näher dran sein willst, auch für Einblicke zum aktuellen Graphic-Novel-Projekt »Luftwurzeln«, dann hüpf gerne auf meinen Newsletter.
Liebe Viktoria, Danke für diese Einblicke, die mich richtig mitnehmen in Dein Abenteuer als Dorfschreiberin. Bin so gespannt, was Du noch so erlebst😘❤️. Lieben Gruß, Susanne
Liebe Susanne, deine Rückmeldung tut mir richtig gut! Dankeschön, dass du mich lesend begleitest! Liebe Grüße, Viktoria
Ich kam über Deinen Newsletter hierher (der 1., den ich erhalten habe) – da stand ja schon etwas von Eisenbach. Ich bin ein wenig erschrocken, dasz es nur 3 Monate sind, hatte erst an ein ganzes Jahr gedacht…denn: 3 Monate dürften grad mal fürs Ankommen reichen, so aus meiner Perspektive.- Mehr aber auch nicht.
Ich finde es gut, dasz Du Dich in der Umgebung umschaust und vielleicht ergibt sich daraus ja eine völlig neue, ganz andre Inspiration als die geplante Graphic Novel? Ich wünsch Dir einen schönen und fruchtbaren Aufenthalt mit viiiiiiiiel Zeit zum “Nichtstun” dort!
Liebe Grüsze
Mascha
Drei Monate können sehr lang werden (die Befürchtung hatte ich, bevor ich herkam) oder auch sehr kurz sein (so fühlt es sich jetzt gerade an). Danke für deine guten Wünsche! Ich genieße die Zeit hier sehr und bin selbst gespannt, was sich aus all den Eindrücken hier entwickeln wird.