Veröffentlicht: 07.03.2023 | Aktualisiert: 09.03.2023 | Findest du ein (*) im Text, dann sind damit Partner-Links gekennzeichnet. Die führen normalerweise zum sozialen Buchhandel.
Ein Stipendium für meine Arbeit zu bekommen? Das schien unendlich weit weg. Selbst bei inhaltlich genau passenden Programmen. So unterschiedlich die Anforderungen für Stipendien auch sind, häufig sind sie an äußere Faktoren gebunden, die ich nicht erfülle: an eine Altersgrenze, die ich schon überschritten habe, an eine formale Ausbildung, die ich nicht absolviert habe, an eine Mindestzahl von Ausstellungen oder Publikationen, die ich unterschreite. Und jetzt doch: Eisenbach. Dorfschreiber-Stipendium. Die Freiheit, drei Monate fokussiert als Comic-Autorin zu schreiben und zu zeichnen.
Brotjobs und Literatur
Autor:innen haben meist Brotjobs, sprechen aber selten darüber. Was ein Grund dafür ist, dass ich in der Vergangenheit gedacht habe, dass zumindest bei meinen preisgekrönten Kolleg:innen das literarische Schaffen die Haupteinnahmequelle ist.
Das ist oft nicht der Fall. Genauer gesagt: Vom literarischen Schreiben lebt fast niemand. Einerseits kann mich das jetzt beruhigen, andererseits aber auch wütend machen. Beruhigen, weil ich mir als Autorin weniger unprofessionell vorkomme, wenn ich einen »fachfremden« Brotjob habe – einfach, weil die meisten anderen auch einen haben. Wütend, weil wir diese Brotjobs tatsächlich brauchen, um schreiben UND ein normales Leben führen zu können.
„Denn vom symbolischen Kapital der Kultur lassen sich weder Lebensmittel kaufen noch Wochenendausflüge finanzieren. […] Für die eigene Schreibarbeit braucht es […] Brotberufe als Angestellte, Jobber:innen oder Freischafffende. Mit ihnen werden die Haupteinnahmen fürs Leben und Überleben bestritten. Die Alternative: Hartz IV.“
Dieser Satz stammt aus der Einleitung des Buchs »Brotjobs & Literatur«*, herausgegeben von Iuditha Balint, Julia Dathe, Kathrin Schadt und Christoph Wenzel. Weiter heißt es da:
„Die Paradoxien des Betriebs liegen auf der Hand: Der Gesamtumsatz des Buchhandels betrug im Jahr 2020 rund 9,3 Milliarden Euro. Gegenüber dem Vorjahr war das – trotz Pandemie – eine Steigerung um 0,1 Prozent. […] Dennoch können die Autor:innen ihre finanzielle Existenz höchst selten allein mit dem literarischen Schreiben sichern. Sie stehen in der Wertschöpfungskette an nachgeordneter Position. Heinrich Böll konstatierte 1969 nüchtern, die Autor:innen seien letztlich »sehr feine Idioten«. […]
Radikal formuliert: Brotjobs halten den Literaturbetrieb am Laufen. […] Die Geschichte vom zwischen »Bureau«-Monotonie und schriftstellerischer »Nachtarbeit« manövrierenden Versicherungsangestellten aus Prag ist ebenso bekannt wie beliebt. […] Die idealisierten Vorstellungen von der Schriftstellerei – intensive Kreativität mit Zeitwohlstand – beinhalten Dachstubenromantik. […] Die wenigsten Autor:innen können unter diesen Bedingungen konzentriert arbeiten.“
Ich empfehle das Buch »Brotjobs & Literatur«* für Einblicke in die Realitäten schriftstellerischen Arbeitslebens.
Stipendien sind Geld. Geld bedeutet Zeit. Zeit zum Schreiben
Wenn ich mir ansehe, in welchem Verhältnis ich meine Zeit normalerweise aufteilen muss zwischen Brotjob, der die Miete zahlt, und literarischem Schreibzeichnen, dann ist die logische Konsequenz daraus, dass ich als Autorin eher langsam vorankomme. In einem Verlag veröffentlicht habe ich noch nichts. Dafür kann ich meine Miete zahlen und habe hübsch Rentenpunkte gesammelt, um das im Alter nicht mit Flaschen tun zu müssen.
Alles hat seinen Preis.
Solange die Verhältnisse im Literaturbetrieb so sind, wie sie sind, bleiben Stipendien und Förderpreise wichtig. Denn Geld bedeutet Zeit: Geld ist Zeit zum Schreiben.
Ich danke dem Förderkreis Kreatives Eisenbach, der – unterstützt von der Eisenbacher Autorenstiftung und weiteren Sponsoren – im Jahr 2023 zum 18. Mal das Eisenbacher Dorfschreiber-Stipendium vergibt. Ich bin dankbar dafür, dass ich in diesem Jahr dieses Stipendium bekomme.
Das bedeutet: Ich werde ab April drei Monate als Artist in Residence im Hochschwarzwald verbringen und die Ruhe, Abgeschiedenheit und finanzielle Unterstützung dafür nutzen, um weiter an meiner ersten Graphic Novel zu arbeiten. Außerdem freue ich mich darauf, mit den Menschen vor Ort Workshops zu gestalten, Zeichenausflüge zu organisieren und eine Ausstellung auf die Beine zu stellen. (So zumindest der Plan bisher.)
Die Bekanntmachung auf der Website des Förderkreises Kreatives Eisenbach. Ich fühle mich schon jetzt sehr willkommen und freue mich auf die Zeit als Dorfschreiberin.
Wie nah dran möchtest du sein?
Für mich wird das Stipendiatinnen-Dasein eine völlig neue Erfahrung werden – und wenn du möchtest, kannst du Teil der Reise werden und mich zumindest virtuell begleiten.
Ich werde meinen Blog während meiner Zeit als Dorfschreiberin in Eisenbach auch als Online-Tagebuch für ausgewählte Beiträge nutzen. Noch näher dran an der Entstehung des Buches bist du als Newsletter-Abonnent:in, denn nicht alle Gedanken gehören öffentlich ins Netz. 😉
Hier kommst du zu meinem internen Verteiler und bleibst auf dem Laufenden:
So sehen die ersten Entwürfe, Fragmente und Versatzstücke aus, wenn ich an meinem aktuellen Buchprojekt arbeite. Wenn dich solche Hintergründe interessieren, dann hüpf gerne auf meinen Newsletter. Dort teile mehr davon, wie das Schreibzeichnen an der Graphic Novel vorangeht.
Hi, ich bin Viktoria.
Ich bin Zeichnerin, Autorin und Dozentin. Ich erzähle mit Bildern.
Meine bevorzugte Zeichentechnik ist die Skizze, meine liebsten Medien sind Tusche und Aquarell. Ich forsche mit dem Stift in der Hand und liebe es, Menschen, Gebäude, Orte, Handwerkliches und Alltägliches zeichnend zu dokumentieren.
Die Resultate sind graphische Reportagen, häufig in Form von handgebundenen Künstlerbüchern.
Hier im Blog schreibe ich über Dinge, die mich aktuell bewegen und zeige, was so alles in meinen Skizzenbüchern landet. Wenn du noch näher dran sein willst, auch für Einblicke zum aktuellen Graphic-Novel-Projekt »Luftwurzeln«, dann hüpf gerne auf meinen Newsletter.
Liebe Viktoria, ich gratuliere dir zum Stipendium, wie spannend! Ich habe mich sofort zu deinem Newsletter angemeldet und freue mich auf deine Erfahrungen im Schwarzwald. Viel Erfolg wünscht dir
Nicole
Liebe Nicole, vielen lieben Dank! Ich freu mich sehr über dein Interesse und die guten Wünsche!